Caminho Portugues – Tag 7

Von Valenca do Minho nach O Porrino

Caminho Portugues Tag 7 - Startbild

Die Nacht in der Herberge in Valenca verbrachte ich im größten Schlafsaal meines Weges – und es war erstaunlicherweise die einzige, in der ich durchschlief. Ansonsten wurde ich jede Nacht wach und schlief erst wieder ein, nachdem ich ein paar Seiten im E-Book gelesen habe.
Es regnete noch immer, auch der Wind war recht stark, sodass ich mir direkt beim Start den Poncho überwarf. Jetzt sah ich aus wie die typische Pilgerin, fühlte mich aber eher wie eine aufrecht gehende Schildkröte.
Zuerst ging es wieder auf den Hügel zur Forteleza. So früh am Morgen waren noch keine Menschen unterwegs, Nebel und tiefe Wolken ließen alles unwirklich erscheinen. Die Luft war frisch und ich genoss das Alleinsein. Im Schlafsaal war es noch ruhig gewesen, die meisten Pilger würden später losgehen.

Caminho Portugues Tag 7 - alte Gebäude
Geschäfte auf der Forteleza

Obrigada, Portugal!

Viel schneller als erwartet erreichte ich die Puente Internacional. Sie überspannt den Rio Minho, den Grenzfluss nach Spanien, und ist für Fußgänger und den Autoverkehr geöffnet. Genau in der Mitte der Brücke befinden sich die berühmten Fußabdrücke, die wohl für jeden Pilger auf dem Caminho Portugues einen Schnappschuss wert sind.
Heute war der siebte Tag und ich war tatsächlich bis zur Grenze gekommen. Und gleich würde ich sie überschreiten und damit einen ganz besonderen Teil meines Jakobsweges hinter mir lassen. Auch im Nachhinein ist mir der portugiesische Teil des Weges der liebste. Portugal habe ich als wunderschönes Land erlebt, ich vermisse die Farben und Gerüche sowie den köstlichen Kaffee. Und die Pastel de Nata.

Caminho Portugues Tag 7 - Auf der Brücke zwischen Portugal und Spanien
Klassisches Bild

Sobald ich die Brücke überquert hatte und Tui erreichte, änderte sich alles – auch die Zeit, denn Portugal liegt in einer anderen Zeitzone. Die Wegweiser waren auf einmal groß, schön und reichlich vorhanden. An Straßenlaternen und Hauswänden prangten Aufkleber und Schilder, alles verwies auf den Camino, auf Herbergen, Bars und Restaurants. Man merkte sofort, dass Spanien ganz anders auf den Camino eingerichtet ist als Portugal.
Nach einer halben Stunde auf und ab durch die Stadt erreichte ich die berühmte Kathedrale von Tui. Der richtige Zeitpunkt, um den ersten Kaffee zu trinken.

Caminho Portugues Tag 7 - Kathedrale von Tui
Die Kathedrale von Tui

Als ich die Tür eines Cafés direkt gegenüber der Kathedrale öffnete, traute ich meinen Augen kaum: Da saßen tatsächlich die drei Pfälzerinnen vom ersten Abend auf dem Campingplatz! Die Freude war groß, wir tauschten die Erlebnisse der letzten Tage aus, ich freute mich, dass Birgit in ihrer Unterkunft geschlafen hatte und wir tauschten Handynummern aus.
Es war schön, Regina, Marianne und Heike wiedergetroffen zu haben. Irgendwie waren mir die Pilger, die ich zu Beginn kennenlernte, emotional näher als die Pilger im weiteren Verlauf des Weges. Wir wünschten einander einen guten Weg, begegneten uns aber im Laufe des Vormittags noch mehrmals, bis wir uns dann aus den Augen verloren.

Aus Bom Caminho wird Buen Camino

Mir war klar, dass sich der Weg ab Tui ändern wird, denn hier beginnen die letzten 100 Kilometer. Wer am Ende in Santiago die Compostela, also die Pilgerurkunde, haben möchte, muss mittels Stempeln im Pilgerpass nachweisen, dass er die letzten 100 Kilometer zu Fuß gegangen ist (oder 200 Kilometer mit dem Rad oder auf dem Pferd). Dafür benötigt man zwei Stempel pro Tag. Für den ersten Teil des Weges (und die Distancia, die Urkunde über die zurückgelegte Strecke) reicht ein Stempel pro Tag.
Ab Tui wurde der Weg dann wirklich voll und verlor für mich auch den besonderen Charme, das, was den Jakobsweg so einzigartig macht.
An den ersten Tagen traf ich manchmal mehrere Kilometer lang keine oder nur vereinzelte Pilger und jedes Aufeinandertreffen war ein Grund, sich zumindest ein »Bom Caminho« zu wünschen. Es war freundlich und ein Miteinander, auch wenn man sich nicht kannte und auch nie wieder sehen würde.

Caminho Portugues Tag 7 - alte Brücke
Ponte das Febres

Hier war es anders. Auf mein »Buen Camino« reagierte kaum jemand, es gab mehr Gruppen und damit mehr Unruhe. Etwa eine Stunde hinter Tui setzte ich mich zum Frühstücken auf einen Feldweg und packte meine Sachen aus. Zwei Pilgerinnen kamen vorbei, sahen mich dort sitzen und meinten beinahe mitleidig: »Hier gibt es wirklich zu wenig Bänke.«
Ich lachte und fragte, ob dies ihr erster Tag sei. Sie nickten und ich wünschte ihnen einen guten Weg. Bänke! Ich musste immer noch lachen. Der Jakobsweg ist ein Pilgerweg, kein prämierter Fernwanderweg mit Vesperinseln! Und während ich mich noch über die Anspruchshaltung wunderte, kamen zwei weitere Pilgerinnen auf mich zu. Eine strahlte mich an, wünschte mir einen guten Appetit und drückte mir ein vierblättriges Kleeblatt in die Hand. »Viel Glück auf dem Weg!«, wünschte sie und ging fröhlich weiter.
Ich bedankte mich und war entzückt. Ja, auch das ist der Camino!
Ob die Pilgerin weiß, welchen schönen Moment sie mir mit dieser kleinen Geste bereitet hat?

Caminho Portugues Tag 7 - zwei Kilometersteine
Tja, und nun?

Der Weg führte nach einiger Zeit wieder durch die Natur, es gab wieder mehr Waldwege und weniger Asphalt. Eine Wohltat für Füße und Gelenke!
Da der Caminho Portugues jedes Jahr beliebter wird, gibt es auch immer mehr Complementarios, also »Nebenwege«. Diese sind landschaftlich schöner als die alten Wege, dafür manchmal aber auch länger. Aber sie sind definitiv eine Empfehlung, ich würde jederzeit einen Complemantario vorziehen. Sie führen oft an Flüssen oder Bächen vorbei, sind urwüchsiger und natürlicher als die alten Wege.
Unterwegs traf ich auf Nadine vom Vorabend in Valenca, sowie zwei Schweizerinnen, die ich schon ein paar Mal gesehen, mit denen ich aber noch keinen Kontakt gehabt hatte. In einem Café kamen wir ins Gespräch und gingen bis nach O Porrino mehr oder weniger gemeinsam. Mal liefen wir ein paar Meter zusammen, dann hintereinander, irgendwann verloren wir uns aus dem Blick, nur um kurz darauf wieder ein paar hundert Meter gemeinsam zu gehen.
Wir kamen früh in O Porrino an, die öffentliche Herberge lag direkt am Weg, war aber noch geschlossen. Nadine und Sylvie und ihre Tochter Laura wollten in einer kleineren Herberge übernachten, also trennten sich hier unsere Wege (fürs Erste).
Vor der Herberge setzte ich mich in den Schatten auf eine Bank, auch eine polnische Familie wartete auf die Öffnung der Herberge. Alles war entspannt, jeder hing seinen Gedanken nach und ruhte sich aus – bis zwei Briten kamen, Typ pensioniertes Lehrerehepaar. Sie fragten jeden von uns ab, ob dies unser erster Camino sei und erklärten, dass wir unsere Rucksäcke entsprechend unserer Ankunft in eine Reihe stellen sollten. Ich fand das völlig übertrieben, zumal wir zu diesem Zeitpunkt zu sechst waren und die Herberge – mit 52 Betten! – in einer Viertelstunde öffnen würde. Aber ich tat wie geheißen, damit das Ehepaar endlich still war.

Caminho Portugues Tag 7 - Schlafsaal in O Porrino
Schlafsaal in O Porrino

Die Herberge in O Porrino war meine erste auf spanischem Gebiet und ließ Heimweh nach Portugal aufkommen. Die Betten waren mit sonderbarem Plastik überzogen (die in Portugal auch, aber das fühlte sich nicht so komisch an), schmutzig, und die Küche enthielt – nichts. Keine Tasse, keinen Teller, keine Gabel, keinen Kühlschrank. Ich habe keine Ahnung, wer sich so etwas ausgedacht hat. Nun ja. Ich ging also duschen, wusch meine Wanderkleidung und bezog wie gehabt das hinterste Bett an der Wand.
Leider war auch das so sehr auf Regeln bedachte britische Ehepaar in meinem Schlafsaal und entpuppte sich als die rücksichtslosesten Pilger, die ich bis dahin erlebt hatte (noch schlimmer als die Brasilianer von Tag 4). Sie raschelten und knisterten wie verrückt mit ihren Taschen, obwohl ich im selben Raum lag und mich offensichtlich ausruhen wollte. Ich glaube, der Mann hatte jede einzelne Socke, jeden Apfel und jedes Stück aus seinem Kulturbeutel einzeln in Tüten gepackt und probierte nun aus, ob die Dinge nicht in einer anderen Tüte besser aufgehoben waren.
Später wurde die polnische Familie wegen ihrer Gespräche aus dem Schlafsaal komplimentiert und das Geraschel und Geknister der Briten begann von vorn, untermalt mit lauten Gesprächen. Warum die Polen den Schlafsaal verlassen sollten, wurde mir nicht klar. Um Ruhe ging es den beiden schließlich nicht.
Nun ja. Später ging ich in den Ort, weil ich Hunger hatte. Die Küche war ja nicht zu benutzen, außerdem wollte ich mir gern Voltaren-Gel wegen meiner Hüfte kaufen. Vor mir humpelte Clemens in Richtung Stadt. Schon am Vorabend in Rubiaes hatte er von starken Schmerzen in den Schienbeinen erzählt und war offensichtlich immer noch nicht schmerzfrei.
Ausgerüstet mit Voltaren, einer Flasche Wasser und einer Tafel Schokolade traf ich am Marktplatz auf die beiden Ehepaare aus Salzburg, die sich das erste Bier schmecken ließen. Auch wenn ich allein in der komischen Herberge war, so war ich doch nicht allein in der Stadt. Es dauerte auch gar nicht lange, bis ich auf Nadine, Sylvie und Laura stieß, und wir gingen gemeinsam essen.

Caminho Portugues Tag 7 - Hamburger mit Kartoffeln
Menu del Dia – empfehlenswert!

Die drei planten eine Rundfahrt von Santiago zum Kap Finisterre am Ende ihres Weges. Viele Pilger gehen nach ihrer Ankunft in Santiago de Compostela noch weiter bis nach Fisterra und zum Kap Finisterre, dem Ende der Welt. Früher dachte man, dass hier die Welt zu Ende sei. In gewisser Weise ist sie das auch, denn am westlichsten Zipfel Galiciens endet das Festland und man sieht nur noch das Meer.
Ich lag gut in der Zeit. Wenn nichts Gravierendes dazwischenkam, würde ich sogar einen Tag früher als geplant in Santiago ankommen. Aber eine zehnstündige gebuchte Busfahrt für über dreißig Euro war nun definitiv das Letzte, was ich mir nach meiner Ankunft vorstellen konnte. Ich winkte ab.
Erstmal hatte ich Spanien erreicht, was mir nach Tag 3 in Barcelos beinahe unmöglich erschien. Die Freiheit, alles auf mich zukommen zu lassen, gehörte mit zum Schönsten auf meinem Camino. Da wollte ich mir wirklich noch keine Gedanken über Santiago machen. Das Einzige, was feststand, war mein Rückflug von Porto in acht Tagen. Der Rest würde sich geben.

Caminho Portugues Tag 8 – Von O Porrino nach Arcade

Caminho Portugues Tag 6 – Von Rubiaes nach Valenca do Minho

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4 thoughts on “Caminho Portugues – Tag 7

    1. Ich bin auch schon in Deutschland gelaufen, werde mir nächstes Jahr vermutlich den Lahn-Camino vornehmen. Aber ich glaube, es ist ein riesiger Unterschied, ob man in Deutschland oder in Frankreich oder gar Spanien läuft.
      Aber ich bin gespannt!
      :D

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