Caminho Portugues – Tag 1

Heute vor einem Monat flog ich von Köln nach Porto, um das wunderbare Abenteuer Jakobsweg zu starten.

@caminhoPortuguesTag1


Elfeinhalb Tage lang bestand mein Alltag nur aus walk, eat, sleep, repeat – immer auf der Suche nach den gelben Pfeilen, die mir den Weg wiesen.
Zwölf Mal stand ich morgens auf, zog mich an, rollte meinen Schlafsack zusammen, schnallte meinen Rucksack auf und ließ mich von gelben Pfeilen und Jakobsmuscheln auf blauem Grund durch Portugal und Galicien führen.
Zwölf Tage lang lief ich bei angenehmen Temperaturen, aber auch bei sengender Hitze und im strömenden Regen von Herberge zu Herberge und von Kilometerstein zu Kilometerstein.
Zwölf Abende verbrachte ich mit netten Menschen, gutem Essen, kühlem Bier und interessanten Gesprächen, ehe ich müde und zufrieden in meinen Schlafsack krabbelte.
Zwölf Nächte gelang es mir, mit Schlafbrille und Ohropax in Mehrbettzimmern zu schlafen, obwohl es im Schlafsack entweder zu heiß oder zu kalt war.

Tag 0: Wer braucht schon Pläne?

Freitagnachmittag landete mein Flieger in Porto.
Es war mein erster Flug und, wenn ich ehrlich bin, nicht unbedingt ein Highlight meines bisherigen Lebens.

@HafenPorto
Hafen Porto mit Ponte Dom Luis I.

Doch die Altstadt von Porto und das anstehende Abenteuer Jakobsweg ließen den Flug schnell vergessen.
Zur Einstimmung auf den Camino buchte ich lange im Voraus ein Bett in einem Viererzimmer in einem Hostel in der Altstadt, unmittelbar am Hafen bei der weltberühmten Brücke Ponte Dom Luis. Jedes Bett hatte einen Vorhang sowie Steckdose und Licht, sodass es trotzdem noch ein wenig Intimsphäre gab.
Den Nachmittag und den Abend verbrachte ich damit, durch die Altstadt zu spazieren, die ausgelassene Stimmung am Hafen zu genießen und die erste – und wichtigste! – Lektion meines Camino zu lernen: Pläne sind in Ordnung – man muss sich aber nicht dran halten.

@Porto bei Nacht
Porto bei Nacht

Eigentlich wollte ich meinen ersten Tag auf dem Camino mit dem ersten Stempel in meiner Credencial beginnen. Das Pilgerbüro in der Kathedrale in Porto öffnet morgens um neun Uhr, und nach dem offiziellen Startschuss wollte ich mit der historischen Straßenbahn bis an den Atlantik fahren und von dort aus grob in Richtung Santiago laufen.
Da ich aber schon am Freitag bei meinen Stadtspaziergang mehrmals an der Kathedrale vorbeikam, holte ich mir den Stempel schon vorher.
Dadurch konnte ich am Samstag direkt die erste Tram um neun Uhr zur Küste nehmen. Obwohl diese Bahn immer sehr voll sein soll, war um diese Uhrzeit noch wenig los und alle bekamen einen Sitzplatz. So schaukelten und quietschten wir also Richtung Atlantik, immer vorbei am Duoro, an Häusern, Palmen, Schiffen, Autos – und jeder Menge Pilgern. In diesem Moment war ich froh, mich für die Variante mit der Bahn entschieden zu haben, um diese 5 km zwischen Straßen und Schienen abzukürzen.
Dass in dieser Bahn drei Pilgerinnen saßen, mit denen ich noch viele besondere Augenblicke auf dem Camino teilen würde, ahnte ich in diesem Moment nicht.

Tag 1: Portos Atlantikküste

Die Ankunft am Atlantik war der Hammer.
Anders kann ich es nicht beschreiben, deshalb lasse ich lieber ein paar Bilder sprechen.

Während es in Siegen schneite, schien in Porto die Sonne und pfiff mir der Wind um die Ohren. Ich war sehr gespannt, was in den nächsten zwei Wochen auf mich zukommen würde. Zwischen den sportlichen und sommerlich gekleideten Portugiesen liefen immer wieder Pilger mit großen Rucksäcken auf der Promenade vor und hinter mir. Doch niemand wünschte mir »Bom Caminho«, wie ich es im Internet gelesen hatte. Vielleicht waren Pilger auf diesem Abschnitt einfach doch zu gewöhnlich, um sie weiter zu beachten.
Ich ging nicht besonders schnell und blieb immer wieder stehen, um Fotos zu machen oder besondere Momente zu genießen. Meine Mittagspause verbrachte ich auf einem Felsen mit Blick auf das Meer und fühlte mich frei, erwartungsfroh und auch ein klein wenig unsicher. Würde ich auch immer ein Bett finden? Was müsste passieren, um den Weg abzubrechen? Wie weit würde ich kommen und würde ich fit bleiben?
Santiago de Compostela war noch fast 250 km entfernt und ich hatte keine Ahnung, wie ich diese Distanz meistern sollte.

Überraschung auf dem Campingplatz

Nachmittags wurde es zunehmend beschwerlich, die Sonne knallte vom Himmel, der Wind ging mir auf die Nerven und ich hatte Angst, kein Bett mehr zu bekommen.
Nach etwa 20 km verließ ich in Angeiras den Weg, um mir das erste Mal auf dem Camino spontan einen Schlafplatz suchen. Das erwies sich allerdings als sehr viel einfacher als gedacht, denn der Rucksack mit der Pilgermuschel und die Credencial öffneten mir vom ersten bis zum letzten Tag viele Türen.
Auf dem Campingplatz konnte ich für elf Euro ein Bett in einem kleinen Bungalow mieten. An der Rezeption sagte man mir, dass man das zweite Bett an eine andere alleinreisende Pilgerin vermieden würden, falls noch eine käme.

Bungalow auf dem Campingplatz Orbitur Angeiras

Kein Ding, dachte ich mir und ging duschen und meine Klamotten waschen. Nach einem kalten Bier ging ich zum Restaurant, um dort mein erstes Pilgermenü zu mir zu nehmen. Gelesen hatte ich davon schon viel, entsprechend neugierig war ich.
Die meisten Tische waren entweder noch komplett leer oder schon voll belegt. An einem kleinen Tisch saßen drei Pilgerinnen, die mir schon an der Endhaltestelle der historischen Straßenbahn aufgefallen waren und Deutsch sprachen.
Ich setzte mich dazu, wir kamen ins Gespräch und tauschten unsere Reiseführer aus, da wir unterschiedliche Bücher besaßen (für Insider: Ich habe den roten Wanderführer, weiter verbreitet ist aber der gelbe). Plaudernd gingen wir zurück zu unseren Bungalows (wir waren quasi Nachbarinnen) und ich sah, dass in der Zwischenzeit das zweite Bett belegt war. Meine erste Frage an die Frau in meinem Alter war die nach der Sprache und siehe da: schon wieder eine Deutsche. Wie praktisch, da mein Englisch einigermaßen eingerostet ist.
Wir kamen ins Gespräch und als ich erzählte, dass ich das erste Mal in meinem Leben überhaupt geflogen war, stutzte mein Gegenüber und fragte mich: »Bist du Melanie?«
Ich nickte verwundert und überlegte, wem ich denn schon meinen Namen verraten hätte. Mir fielen eigentlich nur die drei Pfälzerinnen vom Abendessen ein, aber das passte irgendwie nicht.
»Ich bin Birgit von Facebook!«
Lachend fielen wir uns in die Arme und ich lernte die nächste Lektion: Kein Zufall ist so abwegig, dass er nicht doch eintreten kann.
Birgit und ich sind in der gleichen Facebook-Gruppe über den Caminho Portugues und sie schickte mir vor einiger Zeit eine Freundschaftsanfrage, da wir zur gleichen Zeit unterwegs sein würden. Normalerweise nehme ich gar keine Freundschaftsanfragen von Fremden an, wegen des Weges habe ich aber eine Ausnahme gemacht.
Und dann landet von all den vielen Menschen auf dem Caminho Portugues ausgerechnet Birgit in meinem Bungalow!
So fand ich gleich am ersten Tag Gefährtinnen, die mich noch eine ganze Weile begleiten sollten.

Caminho Portugues Tag 2 – Von Angeiras nach Rates

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