Caminho Portugues – Tag 10

Von A Portela nach Valga

Caminho Portugues Tag 10 - Startbild

Die Nacht in der tollen Herberge in A Portela war schlecht.
Manche redeten noch bis weit nach Mitternacht, die Ersten begannen um sechs Uhr mit dem Aufbruch.
Da die sanitären Anlagen definitiv nicht für dreißig Leute ausgerichtet waren, schnappte ich schnell mein Zeug, putzte draußen am Waschbecken meine Zähne und lief los. Ich war sonst zwar auch immer ziemlich schnell beim Aufbruch, aber noch nie so schnell wie in A Portela.

Das war auch ganz gut so, denn so hatte ich wieder viel Ruhe auf dem Weg. Mittlerweile waren es nur noch sechsundfünfzig Kilometer bis nach Santiago – theoretisch war das sogar in zwei Tagen zu schaffen. Aber ich hatte schließlich noch Zeit, wollte mich nicht unnötig abhetzen und wollte ehrlich gesagt auch noch gar nicht, dass das Erlebnis Jakobsweg so schnell zu Ende ging.

Pimientos und mehr aus Padron

Das Kloster Herbon liegt bei Padron, etwa fünfundzwanzig Kilometer vor Santiago und ist ein sehr beliebtes Ziel. Es erfordert ab Padron einen kleinen Umweg von drei Kilometern, bietet dafür aber ein ganz besonderes Flair. Man schläft dort in einem Kloster und kann ein wenig Mönchsluft schnuppern. Außerdem nahm dort die Jakobuslegende im elften Jahrhundert ihren Anfang. Für gläubige oder historisch interessierte Pilger also definitiv eine Empfehlung.
Außerdem sind dort die »Pimientos de Padron« beheimatet, eine Leckerei, die ich leider erst an meinem letzten Tag kennenlernen sollte.
Ich wollte ungern diese dreißig Kilometer bis nach Padron laufen und peilte Valga oder Pontesecures an, des entsprach meinen täglichen zwanzig bis fünfundzwanzig Kilomtern.

Caminho Portugues Tag 10 - Weg im Schatten
Nicht untyptischer Wegeverlauf

Diesmal musste ich für mein Frühstück nur acht Kilometer laufen. Direkt am Weg gab es ein großes Café, dessen Bedienung wohl sieben Sprachen beherrscht – sein Deutsch war zumindest so gut, dass wir uns ganz normal unterhalten konnten. Zu meiner Überraschung war Clemens schon da und hatte sein Frühstück gerade beendet, um weiterzugehen. Ich hatte wirklich geglaubt, als Erste die Herberge in A Portela verlassen zu haben. Aber er war noch vor mir aufgestanden und machte sich nun weiter auf den Weg.
Ich bestellte einen Café Con leche und ein Bocadillo mit Käse und Schinken für 3,50 €. Diese Preise machten es unnötig, mich selbst zu versorgen. So ersparte ich mir die Suche nach Supermärkten, konnte die heimische Küche testen und ein bisschen für die spanische und portugiesische Wirtschaft tun. Mein Tagesbudget von dreißig Euro habe ich jedenfalls bis auf zwei Tage (einer davon in Santiago) stets unterschritten, teilweise deutlich. Darin war alles enthalten: Übernachtung, Waschen, Getränke und Kaffee unterwegs und Essengehen am Abend.

Vom großen Glück

Der nächste größere Ort war Caldas de Reis.
Nach meinem Frühstück ging es weiter. Ich war jetzt zehn Tage unterwegs, Kopf und Körper hatten sich an den Pilgeralltag gewöhnt. Morgens stand ich früh auf, machte mich schnell fertig und ging los. Mir tat nichts weh, die Einstellung am Rucksack passte mittlerweile perfekt, ich spürte ihn kaum. Füße und Beine wussten, was sie zu tun hatten und der Kopf hing einfach seinen Gedanken nach. Probleme und Gedanken, die man so mit sich herumschleppt, lösten sich in Luft auf, meine Arbeit am Roman war weit weg und ich hatte viel Zeit, über mich und den Weg nachzudenken.
Kurz vor Caldas de Reis liefen wie aus dem Nichts Tränen. Wie ein Schlosshund heulte ich, ließ die Tränen laufen, ging einfach weiter und genoss dieses unfassbare Glück.
Ich habe drei gesunde Kinder, einen Beruf, der mich ausfüllt und einen wunderbaren Mann an meiner Seite, der mir völlig selbstlos das Abenteuer Jakobsweg ermöglicht. Meine Eltern und Schwiegereltern sind gesund, und zu diesem Zeitpunkt hatte ich sogar noch zwei Omas, beide über neunzig Jahre alt.
Das ist pures, echtes Glück. Das ist wichtig im Leben und ich werde nie vergessen, wie sich dieser Moment vor Caldas de Reis anfühlte.

Caminho Portugues Tag 10 - Kirche, umgeben von Palmen
Kirche, umgeben von Palmen

Auch dieser Tag wurde wieder sehr heiß, der Weg führte durch Wiesen und Auen und kleinere Orte und bot kaum Schatten. Nachdem ich mich hinter Caldas de Reis einige Kilometer bergauf in einen Ort geschleppt hatte, plante ich eine längere Pause mit frischem Orangensaft und einem großen Café con Leche.
Der Garten des Cafés lag im Schatten von Bäumen, und diese Pause fühlte sich wirklich nach einer kleinen Auszeit an. Auch Piet aus Holland war da und wir tauschten locker Pilgererfahrungen aus.
Die Landschaft bot jedoch wenig Abwechslung. Ich lief durch einen Ausläufer der Pyrenäen (das Kantabrische Gebirge), sodass ich eigentlich den ganzen Tag lang öde braune Berge vor, hinter und neben mir erblickte. Auch die Hitze machte das Laufen an diesem Tag wenig attraktiv und ich quälte mich mit dem Mantra »walk, eat, sleep, repeat« an der Bundesstraße entlang. Das machte keinen Spaß mehr, also nahm ich den Abzweig zur öffentlichen Herberge in Valga.

Starre Regeln

Auf dem Weg zur Rezeption traf ich auf einen wütenden Piet. »Ich gehe wieder, sowas Unfreundliches habe ich noch nie erlebt!«
Er diskutierte noch ein wenig mit der Hospitalera, nahm seine sechs Euro wieder entgegen und verließ die Herberge. Stein des Anstoßes war die Bettenbelegung. In den meisten Herbergen darf man sich seinen Schlafplatz aussuchen und ich war oft früh genug da, um mir einen Platz an der Wand auszusuchen. Außerdem sind die unteren Betten beliebter als die oberen, denn mit schmerzenden Füßen und wehen Muskeln mag man einfach nicht so gern auf den schmalen Leitern klettern.

Caminho Portugues Tag 10 - Skulptur Pilger mit schmerzenden Füßen
Pilgerfeeling in Valga

Hier jedoch wurden die Betten streng zugewiesen: Der erste Pilger muss in Bett eins schlafen, der zweite in Bett zwei, der dritte in Bett drei. Piet war der zweite Pilger und sollte deshalb das obere Bett nehmen. Er wollte aber aus verständlichen Gründen unten schlafen, was die Hospitalera schlichtweg nicht erlaubte (und auch kontrollierte). In dem Schlafraum standen zwölf Betten, die Herberge hat insgesamt achtundsiebzig Betten, und trotzdem war es nicht möglich, dass Piet ein unteres Bett bezog. Das war tatsächlich auch für mich das negativste Herbergserlebnis, denn diese Frau war unglaublich unflexibel und sehr unfreundlich. Statt unsere Fragen zu beantworten, daddelte sie am Handy.
Da Piet nun wieder gegangen war, war ich Pilgerin Nummer zwei und musste das obere Bett belegen. Immerhin wusste ich jetzt, dass ich mir eine Diskussion darüber sparen konnte.
Natürlich ist es immer schön, wenn man ein Bett für sich allein hat. Denn je nach Zustand wackelt das ganze Bett, wenn sich die Person über oder unter einem umdreht.
Um die Absurdität dieses Vorgehens zu unterstreichen, schliefen in dieser Nacht nur insgesamt fünf Pilger in der gesamten Herberge. Aber dafür haben wir auch nur drei Stockbetten belegt. Die ungeraden Zahlen lagen unten, die geraden oben.

Caminho Portugues Tag 10 - Bierflasche Peregrina
Nomen est Omen

Außer mir waren noch eine junge Polin dort, Renate, die alles sehr langsam anging, Stefan aus der Herberge in A Portela sowie Alex. Den Spätnachmittag verbrachte ich mit Stefan und Alex, aß den Rest meines Babybreis mit frischem Obst und wir teilten uns Stefans Nudeln mit Tomatensauce. Ich spendierte Schokolade und legte den Rest für den nächsten Tag in den Kühlschrank.
Stefan überlegte, bis nach Santiago durchzulaufen, ich wollte mir, genau wie Alex, noch zwei Tage Zeit lassen. Mittlerweile freute ich mich auf Santiago und malte mir aus, wie sich das Ankommen an der Kathedrale wohl anfühlt.

Caminho Portugues Tag 10 - Blick über das Gebirge
Toller Ausblick etwas abseits der Herberge

Caminho Portugues Tag 9 – Von Arcade nach A Portela

Caminho Portugues Tag 11 – Von Valga nach Faramello

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