Autoren unter Druck II

Vom Überleben im Verlag

Im vorherigen Teil (Autoren unter Druck I) habe ich mich mit dem Umgang mit öffentlicher Kritik und der prekären Finanzsituation von Autoren beschäftigt. Beide Punkte kann man im Vorfeld wissen und sich auch entsprechend darauf vorbereiten (wie es dann aussieht, wenn man in der Situation drinsteckt, steht noch einmal auf einem anderen Blatt).

Im zweiten Teil geht es um die Mechanismen des Marktes und damit um Punkte, die man vorher meist nicht kennt und die einen ziemlich kalt erwischen können. Hier hilft nur Vernetzung und Austausch untereinander. Gegenseitige Unterstützung ist eben nicht nur während der Textarbeit wichtig, sondern auch – oder gerade –, wenn man sich mit seinem Manuskript im Markt bewegt.

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Der Weg in den Verlag

Ab und zu landen Manuskripte aus den unendlich vielen unverlangt eingesandten Zuschriften auf den Lektorenschreibtisch, doch der bessere und sicherere Weg geht über eine Literaturagentur.

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Literaturagenturen mit unterschiedlich großem Portfolio. Da Literaturagent kein geschützter Beruf ist, kann sich im Grunde jeder so nennen. Es gibt zwar (wie überall) auch schwarze Schafe, aber die meisten Agenten kommen mehr oder weniger direkt aus dem Verlagswesen. Das hat den großen Vorteil, dass sie nicht nur den Markt an sich kennen, sondern auch einzelne Verlage, deren Mitarbeiter und auch deren Anforderungen und Zielsetzungen. Das ist natürlich sinnvoll, wenn man Manuskripte an die Verlage verkaufen möchte.

Agenten haben den großen Vorteil, dass sie einen heißen Draht zu den Verlagen haben und auch in der Lage sind, höhere Garantiehonorare und bessere Vertragsbedingungen auszuhandeln. Dafür werden sie prozentual am Autoren-Einkommen beteiligt. Unterm Strich lohnt es sich aber in den meisten Fällen, weil die Agenturen bessere Bedingungen aushandeln können und natürlich auch juristisch meist versierter sind als wir.

Die Rolle der Literaturagenten

Das heißt aber im Umkehrschluss, dass kaum etwas ohne Agenten geht. Man muss also zuerst eine Agentur von seinem Manuskript überzeugen, bevor es überhaupt an Verlage geschickt wird. Ein Buchprojekt muss also zwei Türen öffnen, und das Öffnen der ersten Tür bringt nicht zwangsläufig eine geöffnete zweite Tür mit sich. Es gibt auch genügend Manuskripte, die kein Verlag kaufen möchte. Das muss noch nicht einmal unbedingt etwas mit der Qualität des Manuskripts zu tun haben, sondern liegt häufig an dem, was man so schön „Marktgängigkeit“ nennt.
Manchmal hat man aber auch einfach Pech, weil ein Verlag ein Projekt mit einem ähnlichen Thema erst in der letzten Woche eingekauft hat. Oder das Manuskript wird zwar für gut befunden, die potenzielle Zielgruppe aber als zu klein. Und kleine Zielgruppe heißt wenig Verkäufe heißt wenig Umsatz.

Umgekehrt kann man aber auch das Glück haben, dass eine Lektorin völlig begeistert von dem Projekt ist und es auch gegen Widerstände im Verlag einkaufen möchte. Und richtig gut läuft es, wenn mehrere Verlage am Manuskript interessiert sind. Dann geht das Manuskript in eine Auktion, und Honorar und Vertragsbedingungen merklich nach oben. Dann ist man zumindest für eine gewisse Zeit seine Geldsorgen los – und es fühlt sich natürlich unglaublich toll an. Außerdem ist so etwas eine prima Bestätigung für die monate- oder jahrelange Arbeit und den hohen persönlichen Einsatz.

Digitale Imprints

2004 brachte Sony in Japan den ersten E-Reader auf den Markt, und 2011 erschien in Deutschland der Amazon Kindle und etablierte damit E-Reader und E-Books auch bei uns. Zeitgleich eröffnete Amazon ganz neue Möglichkeiten, Bücher zu veröffentlichen.
Das Selfpublishing, wie wir es heute kennen, war geboren.
Zuerst gab es auf Amazons Selfpublisher-Plattform kdp nur elektronische Bücher, später auch Taschenbücher. Im Laufe der Jahre sprangen immer mehr Dienstleister auf den Selfpublishing-Zug auf, sodass sich mittlerweile ein eigener, ziemlich großer Markt neben dem herkömmlichen Buchhandel gebildet hat.

Viele Leserinnen und Leser blieben dem stationären Buchhandel zwar treu, kauften aber vermehrt online und lasen E-Books. Das Selfpublishing in der heutigen Form gibt es erst seit wenigen Jahren, und trotzdem hat es den gesamten Markt nachhaltig und unwiderruflich verändert.

Im Zuge dessen kamen auch die digitalen Imprints der großen Verlage auf den Markt. Beinahe jeder große Verlag hat ein eigenes digitales Imprint. Unter dem Dach der Verlage werden Romane aus den gut laufenden Genres wie etwa Krimi oder Liebesroman unter einer eigenen Marke veröffentlicht, aber nur als E-Book. Oft gehört auch das Versprechen dazu, das Buch später als Taschenbuch beziehungsweise als „Print on demand“ aufzulegen, wenn sich das E-Book gut verkauft.

Nicht Fisch, nicht Fleisch

Im Print on demand-Verfahren wird jedes bestellte Buch eigens hergestellt. Somit entfallen hohe Druck- und Lagerkosten, dafür sind aber die Kosten jedes einzelnen Exemplars höher – und damit auch die Marge für die Autoren entsprechend niedriger.
Soweit ich weiß, bekommen die Titel in den E-Book-only-Verlagen ein normales Lektorat und Korrektorat und natürlich werden auch Cover und Buchsatz vom Verlag gestellt. Dem Autor entstehen also keine Kosten. Vorschüsse beziehungsweise Garantiehonorare gibt es meines Wissens im sehr niedrigen Bereich, teilweise auch gar nicht.

Für die Verlage sind die digitalen Imprints eine sichere Bank. Die Kosten können relativ niedrig gehalten werden, da keine Taschenbücher gedruckt und gelagert werden müssen. Gleichzeitig sind die Autoren durch die Aussicht auf ein Taschenbuch so motiviert, dass sie sich gern und mit großem Einsatz für die Vermarktung einsetzen. Hier wird natürlich auch mit den Hoffnungen der Autoren gespielt, schon mal einen Fuß in der Tür des großen Verlages zu haben und irgendwann ganz regulär im Taschenbuch-Bereich aufgelegt zu werden.

In Konkurrenz mit Selfpublishern

Gleichzeitig haben die Autoren das große Problem, dass sie sich mit einem relativ hohen (Verlags-)Preis auf dem gleichen Markt behaupten müssen wie die Selfpublisher mit ihren E-Books. Die Selfpublisher haben jedoch freie Hand in der Preisgestaltung, und durch den dort herrschenden enormen Druck sind die Titel auch häufig deutlich günstiger (teilweise extrem billig oder gar kostenlos).

Digitale Imprints sind also für die Verlage eine feine Sache, weil das Risiko beinahe komplett auf den Autor abgewälzt wird. Die Autoren wiederum befinden sich in einer Art Zwischenwelt: weder Fisch noch Fleisch. Sie sind weder Selfpublisher mit entsprechenden Freiheiten und Möglichkeiten, noch wird man ihre Bücher im stationären Buchhandel finden. Und genau da befinden sich ja (trotz sinkender Zahlen) die meisten Leser.

Für Autoren erhöht sich die Chance, bei einem großen Verlag unterzukommen – aber nur im digitalen Imprint mit seinen entsprechend beschränkten Möglichkeiten.

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Endlich im Verlag!

Jetzt gehen wir einfach mal davon aus, dass man sein Manuskript mit einem Garantiehonorar verkaufen konnte, das zumindest vorübergehend ein würdevolles Leben ermöglicht. Vielleicht wurde im Vertrag sogar ein Spitzentitel ausgehandelt. Prima! Das heißt noch nicht, dass es am Ende wirklich ein mit einem ordentlichen Werbebudget ausgestatteter Spitzentitel wird. Aber man hat zumindest schon mal eine relativ große Chance darauf.

Vielleicht ist es aber auch einfach nur ein Midlist-Titel, die natürlich den größten Anteil des Verlagsangebotes darstellen. Das ist normal und logisch, denn nicht jeder kann der König sein. Das muss nichts Schlechtes sein, im Gegenteil. Denn je geringer die Ausgaben für einen Titel sind, desto weniger Druck lastet auf dem Buch, das Geld auch wieder einspielen zu müssen.

Wir überspringen den Teil mit dem Lektorat und der Produktion, denn das ist hochgradig individuell und hat mehr mit den handelnden Personen als mit dem Buchmarkt als solchen zu tun. Manchmal harmonieren Lektorinnen und Autorinnen so gut, dass sich sogar Freundschaften bilden, in anderen Fällen passt es eben weniger gut. Da unterscheidet sich die Buchbranche nicht von allen anderen Bereichen, in denen Menschen zusammenarbeiten.

Der Platz in der Verlagsvorschau

Doch noch bevor das Buch gedruckt wird, lauert die Gefahr des ersten großen Genickbruchs (oder das erste große, schwarze Loch): die Vormerker.
Wenn die Verlagsvorschauen (Kataloge) erscheinen und an die Buchhändler verteilt werden, werden auch die ersten Exemplare vorbestellt. Die Höhe der Vormerker hat unter anderem Einfluss auf die Höhe der Erstauflage – hohe Vormerker ziehen eine hohe Auflage nach sich; niedrige Vormerker eine entsprechend geringere Auflage.

Die großen Verlage haben ihre Vertreter, die in den Buchhandlungen das Programm und auch einzelne Titel vorstellen. Es erklärt sich von selbst, dass Spitzentitel anders angepriesen werden als Midlist-Titel. Trotzdem haben auch Verlagsvertreter ihre Vorlieben und präsentieren manche Bücher besser als andere. Deshalb ist die Vertreterkonferenz eine der wichtigsten Stationen, die das Buch innerhalb des Verlages durchlaufen muss. Denn Verlagsvertreter sind schließlich Menschen, die im Idealfall auch Leser sind und nicht einfach nur ferngesteuerte Verkäufer.
Deshalb ist es schon mal ein sehr gutes Zeichen, wenn man als Autorin zur Vertreterkonferenz geladen wird, denn das passiert (logischerweise) nur wenigen.

Konsequente Flops

Wenn man bedenkt, dass jedes Jahr Tausende von Titeln auf den Markt kommen, kann man sich leicht vorstellen, dass gar nicht jedes Buch erfolgreich sein kann. Das ist, nüchtern betrachtet, logisch und unausweichlich.
Aber natürlich kann ich als Autorin mein Buch, an dem ich mehrere Monate lang gearbeitet habe, nicht emotionslos als Produkt auf einem riesigen Markt betrachten. Es ist mein Buch, ich habe mir die Geschichte ausgedacht, ich habe die Figuren dazu erfunden und habe mein Möglichstes gegeben, dass es auch ein tolles Buch wird, das Leserinnen und Leser begeistert. Denn genau das ist ja der Grund, weshalb ich überhaupt schreibe.

Natürlich habe ich viel von mir in die Geschichte gegeben. Bei manchen Büchern mehr als bei anderen, aber es ist wohl kaum möglich, völlig distanziert und leidenschaftslos eine Geschichte zu schreiben, die andere Menschen packt und begeistert.
Natürlich hofft man, dass sich die Intensität des Schreibens auf die Leserinnen und Leser überträgt und ihnen eine gute Zeit beschert (wobei jede Autorin etwas anderes unter dieser „guten Zeit“ versteht. Aber das ist eben meine Definition dessen, was ich da mache und mit welcher Absicht ich es mache).

Die Vormerker – eine Rechnung mit vielen Unbekannten

Viele Verlage warten mit Folgeverträgen so lange, bis die Vormerker oder gar die ersten Verkäufe da sind. Das ist mitunter eine ziemlich lange Zeit, in der wir in der Schwebe hängen: Kommt das angebotene Projekt zustande? Soll ich schon weiterschreiben oder erst mal abwarten? Soll ich besser etwas Neues anfangen, falls es mit diesem Projekt nicht klappt?
Sind die Vormerker nicht wunschgemäß, kommt oft kein Folgevertrag zustande. Oder er hat deutlich schlechtere Konditionen. Wenn sich schon dieses eine Buch nicht besonders gut verkaufen wird, sieht es womöglich beim zweiten noch schlechter aus. Und die Buchhändler wissen natürlich, was sich wie gut verkauft und reagieren beim nächsten Buch entsprechend vorsichtiger. Das ist aus kaufmännischer Sicht auch absolut nachvollziehbar und logisch.

Am Thema „Vormerker“ zeigt sich ziemlich schnell, welche Position wir Autoren im gesamten Markt haben: die schwächste. Das klingt erst mal paradox, denn ohne uns gäbe es diesen ganzen Markt überhaupt nicht. Aber, das muss man leider sagen: Wir sind ersetzbar. Nicht unsere individuellen, einzigartigen und besonderen Geschichten. Niemand kann unsere Geschichten so schreiben wie wir. Aber es gibt viel zu viele Menschen, die gut schreiben können, und hinter jedem unbequemen oder „erfolglosen“ Autor stehen zig andere, die vielleicht bessere Verkaufszahlen bringen.

Die Crux hierbei:
Schlechte Vormerker haben meist überhaupt nichts mit unserem Text tun. Denn wenn die Vorschaukataloge gedruckt werden, sind manche Bücher noch gar nicht geschrieben, geschweige denn lektoriert und korrigiert. Da geht es allein um die Präsentation des Buches durch den Verlag: Cover, Klappentext, Platzierung im Katalog (halbe Seite, ganze Seite, mehrere Seiten, Titelblatt).

Der Autor als Bauernopfer

Weil man aber nie so genau festmachen kann, warum ein Buch viele Bestellungen bekommt oder nicht, muss eben der Autor dafür herhalten. Nicht die Coverdesignerin, nicht die Verlagslektorin, nicht die Vertreterin oder die Chefeinkäuferin der großen Buchhandelskette.
Wir müssen mit unserem Namen und unserem Einkommen für Fehler herhalten, die wir gar nicht gemacht haben. Unsere Köpfe rollen für Dinge, die wir in keiner Weise beeinflussen können. Wir schreiben die Geschichte, wir produzieren den Inhalt, aber wir erstellen nicht die Verpackung und die Präsentation.

Schlechte Vormerker oder Verkaufszahlen werden von vielen Autorinnen und Autoren als persönliches Versagen empfunden, als Enttäuschung, als Niederlage. Durch den engen Kontakt mit den Verlagsmitarbeiterinnen bekommt das gefühlte „Versagen“ sogar noch eine persönliche Komponente. Der Satz: „Die Zahlen bleiben hinter unseren Erwartungen zurück“ kann unfassbar schmerzhaft sein.
Und Vorbestell- und Verkaufszahlen sind zwar die größten und gleichzeitig tiefsten Sprunggruben, die wir mit unseren Büchern überwinden müssen, aber auf dem Weg lauern noch mehr.

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Verbrannte Pseudonyme

Es gibt unzählige Gründe, warum sich ein Buch nicht gut verkauft.
Manchmal scheitert es an Dingen wie Cover, Titel oder Klappentext, manchmal gibt es in einem anderen Verlag einen ähnlichen Titel. Mal haben wir einen besonders heißen Sommer, mal einen zu kalten Winter, mal herrscht Vollmond oder die Weltpolitik dreht extreme Pirouetten. Sehr häufig steckt man einfach nicht drin, und rückblickend kann auch niemand sagen, was da los war.
Natürlich liegt es manchmal auch am Inhalt, denn eine Geschichte, die den Leserinnen nicht gefällt, wird nicht weiterempfohlen und bekommt schlechte Rezensionen.

Leider ist für all diese Unwägbarkeiten in aller Regel der Autor der Sündenbock.
Wenn die Bücher eines Autors in den Regalen vor sich hinstauben und den Buchhändlern mehr Arbeit als Einkommen bringen, sind sie bei einem weiteren Titel natürlich vorsichtiger. Sie bestellen weniger Exemplare des neuen Titels, vielleicht auch gar keine. Die Zahlen des Folgebuchs bleiben also deutlich hinter den Erwartungen des Verlages zurück, es spielt vielleicht noch nicht einmal seine Kosten ein.
Die Verlage reagieren natürlich sehr unterschiedlich darauf, aber irgendwann gibt es einfach keine Verträge mehr.

Hilft ein Verlagswechsel?

Dann kann man sich doch einfach bei einem anderen Verlag bewerben, oder?
Die Verlagswelt ist klein. Kleiner, als sie von außen wirkt. Lektorinnen und Lektoren wechseln die Häuser, sie kennen sich von Messen und Veranstaltungen. Sie haben schon unzählige Male miteinander telefoniert oder Mails geschrieben. Man kennt sich. Außerdem ist es nicht besonders schwierig, die bisherigen Verkaufszahlen eines Autors herauszufinden. Bei der Suche nach einem neuen Verlag hat man also auch immer die Verkäufe seiner Vergangenheit im Gepäck. Das kann gut sein, das kann aber auch das genaue Gegenteil davon sein. Ein Autor, der sich in einem anderen Verlag nicht besonders gut verkauft hat, birgt immer das Risiko, sich auch diesmal nicht gut zu verkaufen. Die Gründe für die schlechten Zahlen sind erst mal völlig egal.

Manchmal reicht schon ein „Flop“ (ich setze das Wort ganz bewusst in Anführungsstriche!), und der Autorenname ist verbrannt. Dann können auch Agenturen nicht mehr viel ausrichten. Die Lösung heißt also: Pseudonym. Das wird zwar natürlich spätestens mit der Vertragsunterzeichnung offen gelegt, aber zuerst versteckt man seine (guten wie weniger guten) Zahlen hinter einem neuen Namen.

Der Autor als Marke?

Mit dem neuen Namen gaukelt man natürlich auch allen anderen Marktteilnehmern etwas vor; zuerst den Buchhändlern, später den Leserinnen und Lesern.
Durch diese Praktik ist es natürlich kaum möglich, Autoren und Autorennamen aufzubauen. Tatsächlich habe ich in den letzten Jahren zunehmend beobachtet, dass Kolleginnen und Kollegen spätestens nach dem zweiten oder dritten Buch wieder vom Markt verschwanden. Manche ganz, andere kommen mit neuem Namen und neuem Verlag wieder.

Meine laienhafte kaufmännische Ahnung sagt mir eigentlich, dass es selbstverständlich Zeit braucht, eine Marke aufzubauen. Dass es nicht sofort beim ersten Mal raketenartig abgeht, sondern dass man anfangs Geduld braucht, bis etwas läuft.
Doch das Karussell dreht sich immer schneller, und wer nicht gleich ordentlich einsteigt, fliegt. Gleichzeitig steht vor dem Karussell eine riesige Schlange anderer Autorinnen und hofft darauf, einsteigen zu dürfen.

Sorgenfreie Bestseller?

Der Erfolg eines Buches hängt oftmals maßgeblich am Werbebudget.
Tolle Werbung kann zwar aus einem schlechten Buch kein gutes machen, aber sie kann die Bedingungen für einen großen Erfolg schaffen. Je geringer das Werbebudget, desto schwieriger ist es natürlich für einen Titel, sich in der Masse zu behaupten. Und viele Titel haben überhaupt kein Werbebudget. Gar keins! Da mag der Inhalt noch so toll sein – wenn niemand von dem Buch weiß, kann es auch niemand kaufen.

Man könnte also meinen, dass mit einem hohen Garantiehonorar auch ein hohes Werbebudget einhergeht, was dann wiederum dazu führt, dass sich das Buch gut verkauft. In vielen Fällen ist das auch so, es ist aber leider nicht die Regel. Denn je mehr Geld der Verlag in einen Titel investiert hat, desto größer sind natürlich die Erwartungen. Und das Risiko steigt, dass das Buch die Erwartungen nicht erfüllt. Ein Midlist-Titel mit geringem Garantiehonorar kann nicht so stark floppen wie ein Spitzentitel, der sich nicht wie erwartet verkauft.
Der Druck, der dabei auf uns Autoren herrscht, ist enorm. Und das führt auch dazu, dass selbst bei Zahlen, die wir ordentlich oder gar richtig gut finden, große Enttäuschung vorherrscht.

Öffentliches Scheitern

Das Problem dabei: Diese enttäuschten Erwartungen sind sichtbar, der Titel scheitert öffentlich. Und mit ihm der Autor. Hier sind Autor und Werk nicht zu trennen. Nicht durch die anderen Marktteilnehmern (Verlag, Buchhändler), aber auch nicht durch uns Autoren selbst.
Ein Buch, das sich nicht gut verkauft, das die in es gesetzten Erwartungen nicht erfüllt, tut weh. Weil man nie genau sagen kann, ob die eigene Arbeit einfach nicht gut genug war. Weil man andere Menschen enttäuscht hat (die das mitunter auch deutlich zeigen). Weil man Angst hat, wie es weitergeht. Weil man nicht weiß, ob der Verlag noch einmal so viel Geld in den nächsten Titel investiert, oder ob das Buch alsTapetentitel den Katalog füllt. Ob man noch eine weitere Chance bekommt, oder ob man jetzt einfach seine Sachen packen und gehen kann.
Ob man nicht einfach ein finanzielles Risiko darstellt, auf das sich auch kein anderer Verlag einlassen möchte.

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Die Rädchen im Getriebe

Alles, was ich weiter oben geschildert habe, gehört zu den Mechanismen des Marktes.
Ich weiß nicht, ob man etwas daran ändern kann und wenn ja, was.
Doch im gesamten Buchmarkt arbeiten Menschen, und die meisten von ihnen lieben Bücher.
„Die Verlage“ sind keine bösen Maschinen, die Autoren ausquetschen und quälen wollen. In der Regel wollen alle Beteiligten das Gleiche: gute Bücher verkaufen.

Natürlich gibt es nach wie vor Verlage, die Autoren aufbauen. Und es gibt Lektorinnen, die so sehr von „ihren“ Autorinnen überzeugt sind, dass sie sie auch bei einem Verlagswechsel „mitnehmen“. Die einzelnen Verlage haben unterschiedliche Firmenphilosophien und –strategien, und nach einem Wechsel an entsprechenden Stellen kann alles wieder ganz anders sein.
Auch viele andere Marktteilnehmer (Außenlektorinnen, Coverdesigner, Verlagsmitarbeiter, …) leiden unter den immer schlechter werdenden Bedingungen und werden ebenso mürbe wie wir.
Anders als im Selfpublishing haben wir es im herkömmlichen Verlagsgeschäft immer mit Menschen zu tun – mit all seinen Vor- und Nachteilen. Manchmal kann eine einzige Person entscheidend für unsere weitere Laufbahn sein, und vermutlich ist ihr die Tragweite dessen noch nicht einmal bewusst.

Buchmarkt in der Krise

Meiner Meinung nach krankt das ganze System an einem bestimmten Punkt:
Alle wollen das neue, große Ding, mit dem man für die nächsten Jahre ausgesorgt hat – aber keiner traut sich aus seiner Komfortzone heraus.
Das führt zu der paradoxen Situation, dass Verlage zwar händeringend nach Neuem suchen, das Neue soll aber bitte nicht zu stark vom Gewohnten abweichen.
Und darunter leiden zuallererst wir Autoren. Denn unsere Figuren und Settings dürfen nicht zu ungewöhnlich sein, wir sollen aktuelle Trends bedienen und trotzdem noch etwas Eigenes einbringen (aber nicht zu viel, bitte!). Diese Vorgaben sind so diffus und gleichzeitig einengend, dass sie immer auch Einfluss auf unsere Geschichten haben. Manchmal fühlt man sich wie ein Pferd, das Hufe scharrend vor dem Gatter steht, das sich niemand zu öffnen traut. Man könnte ja aus Versehen im Galopp irgendetwas umreißen.

Jedenfalls steckt der Buchmarkt schon seit Jahren in der Krise, und wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, ist es sogar noch schlimmer, als immer postuliert wird: Klick

„Das neue, große Ding“ wird also dringend gesucht – aber es wird wohl nicht aus Deutschland kommen, sondern aus dem Ausland importiert werden. Aber erst, wenn es sich dort bewährt hat.
Sicher ist sicher.

Thema Wertschätzung

Ich weiß, dass meine beiden Artikel sehr ernüchternd und deprimierend sind. Und ich weiß auch, dass ganz viele Autoren hoffen, dass es bei ihnen anders sein wird. Ist es zum Glück auch, sonst würde man verrückt werden.
Aber wer ernsthaft mit dem Schreiben Geld verdienen oder gar davon leben möchte, muss sich diesen Mechanismen unterwerfen. Unsere Handlungsmöglichkeiten sind sehr beschränkt.

Für jeden Autor, der einen Vertrag wegen seiner schlechten Bedingungen nicht unterschreibt, kommt ein neuer nach, der ihn zu noch schlechteren Bedingungen unterschreibt und sich dafür eine Flasche Sekt öffnet. Das mit dem Jubel und dem Sekt kann ich natürlich gut verstehen, das habe ich auch gemacht. Aber leider hat man damit schon den ersten Schritt in Richtung Selbstaufgabe und fehlende Wertschätzung getan. Wer sich unter Wert verkauft, setzt damit automatisch auch einen Marker. Dann zeigt man, dass man zu allen möglichen Kompromissen bereit ist, solange man sein Buch veröffentlichen darf.

Und nun?

Eines ist klar: Wenn ich diesen Vertrag nicht unterschreibe, bekomme ich möglicherweise gar keinen. Und eigentlich wollen wir doch nur eines: gelesen werden. Und dafür brauchen wir Leser, die wir auf irgendeine Weise erreichen müssen. Sei es durch Verlage und den Buchhandel oder ohne Verlag im Internet.

Es ist hart und es bleibt hart und ich bin nicht optimistisch genug, um an eine Besserung zu glauben. Irgendwann fällt das bisherige System in sich zusammen, und dann bleiben vermutlich nur wenige übrig. Aber bis es soweit ist, schreibe ich weiterhin meine Geschichten und versuche, so gut wie möglich davon zu leben.

 

arrow-2207748_1920Ob Selfpublishing einen Ausweg darstellt?
Dafür öffne ich noch einen neuen Beitrag, sonst wird dieser hier so lang, dass ihn niemand mehr lesen mag. Immerhin soll ja die Fähigkeit, sich auf längere Texte zu konzentrieren, deutlich abgenommen haben.
;)

Hier geht es zum dritten und letzten Teil: Autoren unter Druck III

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6 thoughts on “Autoren unter Druck II

  1. D a n k e für diese beiden tollen Artikel! Es bestätigt mein Bild von der Verlagsbranche, das vor paar Monaten entstanden ist, als ich „aufgewacht“ bin und aufgehört habe mir das Veröffentlichen in Publikumsverlagen blumig zu reden. Um mal deine Worte aufzugreifen: Ich möchte mich nicht unter Wert verkaufen und als schwächstes Glied in der Nahrungskette dienen. Ohne uns Autoren gäbe es keine Geschichten zum Lesen und nur weil es immer jemanden gibt, der für geringere Konditionen unterschreibt, bedeutet dies nicht, dass man als Autor dieses Spiel mitspielen muss. Ich möchte mich am Markt orientieren, aber es wagen mal etwas Neues zu schreiben. Doch vor allem möchte ich mich selbst und mein Buch, das es zwar in eine Agentur schaffte, aber trotz Lob einiger Verlage es nicht in einen Verlag geschafft hat (aus einem Grund, der so banal ist, dass ich es bis heute nicht verkraftet habe darüber hinwegzukommen) Aus diesem Grund habe ich mich nun für den Weg des Self Publishings entschieden. Und ich bedanke mich bei all den mutigen Autoren, die den Mund aufmachen und zu den Missständen in der Verlagsbranche nicht mehr schweigen. In den letzten Wochen gab es einige Autoren, die ihrem gerechtfertigten Unmut freien Lauf gelassen haben. Da frage ich mich: wenn selbst die Großen zu kämpfen haben, welche Chancen hat dann ein Newbie wie ich?

    Keine.

    1. Das Problem bei der ganzen Misere ist ja auch, dass es nicht DEN Schuldigen gibt. Es liegt nicht an einer einzelnen Berufsgruppe oder einem bestimmten Verlag oder einzelnen Personen. Dann könnte man das Problem vielleicht lösen.
      Die gesamte Buchbranche hat ein riesiges strukturelles Problem und doktort an Symptomen herum, aber das hilft langfristig nicht.
      Die Leser brechen weg, jedes Jahr mehr, und trotzdem wird versucht, das Ganze durch gleichbleibende Gewinne schönzureden, obwohl die doch überwiegend durch Preiserhöhungen zustande kommen, aber nicht (oder kaum) durch steigende Verkäufe.
      Renner wie Harry Potter oder 50 Shades of grey (natürlich beides eingekauft, nachdem es sich im Ausland bewährt hat) kippen Tünche auf die Zahlen – aber da aktuell kein neuer Trend in Sicht ist, bekommen die „normalen“ die Werbeausgaben gekürzt oder gar gestrichen, und alles wird auf die großen, schnellen Pferde gesetzt. Mit Mischkalkulation hat das nichts mehr zu tun. Und wenn dann so ein hochgestyltes Pferd lahmt oder nicht wie erwartet lossprintet, bricht Panik aus.
      Fakt ist: Die Gesellschaft hat sich verändert, es wird weniger aktiv gelesen und mehr passiv konsumiert. Und wenn eigentlich begeisterte Leserinnen und Leser wegen der langweiligen und austauschbaren Verlagsprogramme wegbleiben, bekommt Amazon den schwarzen Peter zugeschoben. Aber so einfach ist es eben nicht.

      Nun ja, es ist, wie es ist.
      Machen wir einfach das Beste draus – denn für jede Geschichte gibt es Leser. Man muss sie nur erreichen!

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